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Glossar
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KIPHO-Film
Julius Pinschewer und Guido Seeber, D 1925
Werbefilm GmbH, Julius Pinschewer (Berlin) im Auftrag vom Berliner Messe-Amt, Kino- und Photo-Ausstellung Berlin 1925 (KIPHO), 6 min, schwarz-weiß
Im September 1925 dürfte der Leser beim Durchblättern von „Der Kinematograph“, „Lichtbildbühne“ oder einer anderen Filmzeitschrift auf einen seltsam vertrauten Anblick gestoßen sein: in einer Anzeige für eine große Ausstellung der deutschen Film- und Fotoindustrie mit dem Titel „KIPHO“ („Kino und Photo“) , die vom 25. September bis 4. Oktober 1925 in den Ausstellungshallen am Berliner Funkturm stattfinden sollte, erschien folgender Satz: „Du musst zur KIPHO gehen!“ Mit seiner rätselhaften Insertion erinnerte die Anzeige an eine andere berühmte Werbekampagne aus der Frühzeit des Weimarer Kinos, nämlich die um Robert Wienes „Das Kabinett des Dr. Caligari“ (1920). In den Wochen vor Caligaris Veröffentlichung waren Werbeanzeigen im öffentlichen Raum Berlins aufgetaucht und zwar in Fachzeitschriften wie „Der Kinematograph“ mit dem rätselhaften Satz „Du musst Caligari werden!“ Zuschauer, die Wienes Film sahen, fanden bald eine Erklärung in einer Szene, in der ein Psychiater einem hypnotischen Zwang erliegt, der von einem alten Buch ausgeht, ahmen die mörderischen Experimente des Scharlatans Caligari aus dem 17. Jahrhundert nach. In Anlehnung an diese intermediale Performance deutete das KIPHO-Plakat auch eine Szene in einem Film an: nämlich den Experimentalfilm Kipho von Guido Seeber, der als Trailer in den deutschen Kinos lief.
Der Spielfilm-Kameramann Guido Seeber, mit dem Julius Pinschewer zusammenarbeite und der eng mit den Babelsberger Studios verbunden war, verfügte über eine große Trickfilmerfahrung und galt in Deutschland als Pionier auf diesem Gebiet. Im KIPHO-Film werden die zeitgenössischen Möglichkeiten der Montage ausgelotet als ein Feuerwerk an Film- und Fototechniken, filmischen Apparaturen und Zitaten. Seeber montierte einen experimentellen „absoluten Werbefilm“ für das Ereignis, in dem er Versatzstücke der bisherigen fotografischen und kinematographischen Leistungen zu beziehungsreichen Bildanordnungen zusammensetzte. Diese bewegte Collage zu den Techniken der Photographie und Filmproduktion gilt international als ein Spitzenwerk der Avantgarde. Nimmt der Kipho-Film in seinem Schnittrhythmus auch stark die urbane Dynamik auf, so war das Medium zugleich darauf aus, fremde Welten und abseitige heimische Gegenden filmisch zu erschließen.
Der modernistische Film beginnt der Nibelungensage anlehnend mit einer Szene mit einem über die Leinwand gleitenden Drachen und Siegfried, um einer Szene des Aufbaus eines Films Platz zu machen, der mit einer Einladung endet, das schlafwandelnde Zelt von Dr. Caligari zu betreten.
Diese Werbung für die KIPHO ist eine der mutigsten und visionärsten Werbungen, die zur damaligen Zeit entstanden sind. Als eigenständiger experimenteller Kurzfilm funktioniert er hervorragend, ungeachtet der Veranstaltung, für die er produziert wurde. Der Film überlagert Bilder verschiedener Phasen der Filmproduktion miteinander, lässt mehrere Zeitlichkeiten zu einer einzigen zusammenfallen und bietet einen einzigartigen Einblick in den Prozess. Es erinnert an Vertovs Film „Der Mann mit der Kamera“ in der puren Liebe, die es für das Handwerk des Filmemachens und die Apparatur zeigt. Die hohe Anzahl an Bildern auf dem Bildschirm macht es immer wieder sehenswert und weckt den Wunsch, bei bestimmten Momenten innezuhalten, um einzelne Bedeutungen abzuleiten. Außerdem ist es eine verdammt gewagte Werbung.
„Ein Werbefilm dieser Art war noch nie da: er spricht zum Fachmann wie zum Laien mit gleicher Eindringlichkeit, er ist sachlich zugleich und voller Humor.“ (Korrespondenz für Wissenschaft und Technik im Film, 13/1925)
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