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Glossar
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Der Mann, der sich verkauft
[Hans Steinhoff, D 1925]
Deutsche Erstaufführung der Restaurierung!
Ein Krimi-Melodram im Milieu der Schönen und Reichen, der Korrupten und Charakterlosen. Der Bankier Bracca (Hans Mierendorff) heuert den abgebrannten Baron von Wehrstädt (Olaf Fjord) an, damit dieser seine Frau Eva (Nora Gregor) in eine Liebesaffäre verstrickt. Bracca sucht nämlich einen Vorwand für seine Scheidung von Eva. Es kommt, wie es kommen muß: Der Bankier wird ermordet und der Baron, der sich in Eva verliebt hat, von der Polizei verhaftet. Doch der Fall ist komplizierter als es zunächst scheint.
„Der Mann, der sich verkauft“ ist ein typischer Genrefilm der 20er Jahre, der sein Publikum mit einer spannenden, flott inszenierten Geschichte aus der höheren Gesellschaft unterhalten will. Als Vorlage diente ein gerade abgedruckter Zeitungsroman aus der „Berliner Morgenpost“. Verwendung findet die bewährte Mischung von sex & crime, hinter der die künstlerischen Ambitionen zurücktreten müssen. Ein Fachmann für diese Art von populärem Kino ist der Regisseur Hans Steinhoff, der heutzutage nur noch durch seine Propagandafilme im Dritten Reich eine zweifelhafte Berühmtheit genießt. In Erinnerung geblieben ist das harsche Urteil von Billy Wilder über Steinhoff: „Er war ein Dreckskerl ... ein Mann ohne jegliches Talent ... Steinhoff war ein Idiot, nicht weil er ein Nazi, sondern weil er ein Scheißregisseur war.“
Dieses Urteil ist falsch, wie Steinhoffs vergessene Filme aus den 20er Jahren zeigen. Der Regisseur präsentiert sich hier als ein Vertreter des sogenannten Mittelfilms oder Publikumsfilms. In dieser Sparte der Filmproduktion waren die Budgets meist knapp bemessen, die Drehzeit kurz und die Stoffe aktuell. Unter diesen Bedingungen entstanden keine ehrgeizigen Filme mit dem Anspruch auf ewigen Ruhm und kanonische Bedeutung, sondern jene Filme, in die die von Siegfried Kracauer beschworenen kleinen Ladenmädchen nach Feierabend zu Tausenden strömten.
Die bürgerlichen Filmkritiker konnten sich für diese Art von populärem Genrefilm nur selten erwärmen. Typisch dafür sind Kracauers Einwände. Der Kritiker hat eben nicht den Film gesehen, den er gerne gesehen hätte: „Leider gibt sich dieser Film (...) viel zu viel mit Zuständlichkeiten ab, statt sich auf die freilich nicht eben sinnreiche Handlung zu beschränken. Mutterglücke werden ausgepinselt, Freitreppen vielfach hinauf- und hinabgeschritten, Episoden geduldig durchschmachtet. Am Ende ist man dann zu Ende, das im voraus Begründete führt zu Annahmen, die sich im Fortgang bestätigen, und die Überraschungen geschehen zu plötzlich im Vergleich mit den langsamen Entwicklungen.“ (Frankfurter Zeitung, 2.12.1925).
Die Fachpresse, die vom Resultat und nicht vom Idealfall ausging, urteilte ganz anders: Sie lobt das temporeiche Spiel und die „straffe und sorgfältige Regie Hans Steinhoffs“ (Der Film, 25.10.1925). Der „Film-Kurier“ stellt fest: Das Werk „zeigt die Arbeit des erfahrenen Routiniers, der sichtlich bestrebt ist, den Film durch geschickte Regieeinfälle über den Durchschnitt zu heben. Das ist im großen und ganzen gelungen.“ (Film-Kurier, 24.10.1925).
Philipp Stiasny, 21.4.2006
Hinweis: Dieser Film gehört, wie auch NACHTGESTALTEN, zu unserem großen Steinhoff-Projekt, in dem wir alle erhaltenen Stummfilme dieses Regisseurs wieder aufführen wollen.
Der Film war Jahrzehnte lang verschollen, wurde wieder aufgefunden und vom Bundearchiv-Filmarchiv Berlin und der University of the West of England Bristol unter der Leitung von Barbara Schütz und Dr. Horst Claus aufwendig restauriert. Die Restaurierung wurde auf dem Stummfilmfestival „Le Giornate del Cinema Muto“ in Pordenone, Italien vorgestellt.
Wir bringen die Deutsche Erstaufführung!
(Das passiert sonst nur auf der Berlinale.)
Ein wunderbares Filmblatt zu diesem Film von Dr. Horst Claus gibt es beim Bundesarchiv-Filmarchiv.
Wir danken den Bundesarchiv-Filmarchiv und Transit-Film München für die Unterstützung.
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Bilder: Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung
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